top of page

Der König will es so. Was sich aus der Geschichte gescheiterter Projekte lernen ließe. Wenn man woll


1625

Der schwedische König Gustav II. Adolf bestellte am 16. Januar 1625 vier neue Kriegsschiffe – zwei kleine und zwei große. Gebaut werden sollten sie in der Stockholmer Werft unter der Leitung des holländischen Schiffbaumeisters Henrik Hybertsson. Der bestellte umgehend das passende Holz.

Im Herbst 1625 änderte sich die Lage: Der König hatte gerade zehn Schiffe im Krieg verloren und brauchte schnell Ersatz.

So befahl er, zwei Schiffe mittlerer Größe zu bauen.

Hybertsson beklagte sich über die Planänderungen: Er hatte passende Holzteile für ein großes und ein kleines Schiff, nicht aber für ein mittleres.

Im Frühjahr 1626 kam es dann doch zur Kiellegung für ein großes Schiff. Es sollte Vasa heißen und bei Fertigstellung eines der mächtigsten Kriegsschiffe in Nordeuropa werden.

Es gibt zahlreiche Spekulationen, dass die Konstruktion während des Baus noch verändert wurde. Beweise gibt es nicht.

Fest steht nur, dass der König, rund fünf Monate nach Baubeginn, insgesamt 72 Kanonen für das Schiff bestellte. Jede davon wog 1,5 Tonnen. Es waren so viele, dass sie nicht wie üblich allein ins Unterdeck passten, sodass Hybertsson ein zweites Kanonendeck darüber bauen musste. Hybertsson hatte ein solches Schiff noch nie gebaut.

Aber das Machtgefälle zwischen dem König als Auftraggeber und dem Schiffbaumeister als Projektleiter war zu groß. Verzögerungen hätten Hybertsson den Kopf kosten können. Also wurde weitergearbeitet. Ein Jahr vor der Vollendung des Schiffs starb der Baumeister. Sein Assistent, Hein Jacobsson, führte das Projekt zu Ende. Er war erst recht nicht in der Position, den König zu kritisieren. Jacobsen wurde nicht mal informiert, als die Vasa bei einem Stabilitätstest zu kentern drohte.

Der König schrieb unterdessen böse Briefe. Ihm ging der Bau nicht schnell genug voran. Die Vasa sollte nun schnell in See stechen. Also ging das Schiff am 10. August 1628 auf seine Jungfernfahrt.

Es war 69 Meter lang und 12 Meter breit. Der Großmast ragte fast 52 Meter hoch in den blauen Himmel. Ein imposanter Dreimaster. Die Segel wurden gesetzt, die Sonne schien, es wehte kaum ein Lüftchen. Am Ufer standen Hunderte Schaulustige.

Der Admiral hatte als Ballast so viele Steine wie möglich in den Rumpf geladen, um das Schiff zu stabilisieren. Es lag bereits sehr tief im Wasser. Die unteren Kanonenluken kamen der Wasserlinie bedrohlich nahe.

Trotzdem war das Schiff topplastig: Der Schwerpunkt lag zu weit oben, der Rumpf war viel zu schmal. Schon nach wenigen Metern geriet die Vasa in Schieflage. Beim ersten stärkeren Windstoß neigte sich das Schiff, und Wasser lief in die offenen Kanonenluken des Unterdecks. Das Schiff konnte sich nicht mehr aufrichten. Es kenterte. Die Fahrt dauerte keine 20 Minuten. Das größte Kriegsschiff seiner Zeit kam gerade mal 1300 Meter weit.

Der König tobte. Unmittelbar nach dem Untergang sollte den Schuldigen der Prozess gemacht werden. Die Crew und die Konstrukteure gaben sich gegenseitig die Schuld. Und die Planänderungen des Königs taten ihr Übriges. Am Ende hatten alle Fehler gemacht, aber es gab keinen Hauptschuldigen. Und damit auch keine Verurteilung.

Heute gilt die Vasa vor allem in englischsprachigen Universitäten als Lehrbeispiel für missglücktes Projektmanagement. Und mit dem Begriff Vasa-Syndrom werden Vorhaben bezeichnet, bei denen niemand die Gesamtverantwortung trägt.

Alles lange her?

2006

Baubeginn für den neuen Berliner Flughafen.

Den Bauherren – also dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg, vertreten durch den Aufsichtsrat – fällt danach immer wieder etwas Neues ein.

Die Fluggastbrücken sollen plötzlich doppelstöckig werden, wegen steigender Passagier-Prognosen. Zwei Ebenen im Terminal werden komplett getauscht. Es sollen mehr Ladenflächen entstehen, mehr Gastronomie, zusätzliche Flugsteige. Fast 500 Planänderungen gibt es insgesamt. Die Bauherren haben „kein Konzept, aber unstillbares Verlangen“, schreibt der Architekt Meinhard von Gerkan in seinem Buch „Black Box BER“. Man habe das Projekt regelrecht „zerschossen“.

Die Eröffnung im Oktober 2011 platzt. Gutachter von Ernst & Young attestieren „gravierende Eingriffe“ und „massive Änderungen“ in der Planung durch den Flughafenbetreiber.

Der erste Bauleiter hat die Baustelle bereits 2008 fluchtartig verlassen. Der zweite wird 2012 entlassen.

Ein neuer Eröffnungstermin ist nicht in Sicht.

Ein Untersuchungsausschuss wird einberufen, Schuldige werden gesucht.

Immer mehr technische Mängel werden offenbar.

Peter Ramsauer, 2013 noch Bundesverkehrsminister, schlug vor, aus der Misere das Beste zu machen. Man könne die gewonnene Zeit ja nutzen. Zum Beispiel um den Flughafen noch einmal zu vergrößern. Für weitere zehn Millionen Passagiere. Ist ja nur eine weitere Planänderung.

Den original Artikel gibt es hier zu lesen:

http://www.brandeins.de/archiv/2015/fuehrung/projektfuehrung-der-koenig-will-es-so/



Recent Posts
bottom of page